Urbane Dörfer
Neue Studie: Urbane Dörfer – wie digitales Arbeiten Städter aufs Land bringen kann

Welche Arbeits- und Einkommensmodelle die Leute haben, spielt eine wichtige Rolle in den neuen alternativen Wohnprojekten auf dem Land. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung und der Beratungsverein Neuland 21 haben 18 dieser Projekte in den neuen Bundesländern untersucht, wobei der Schwerpunkt auf Projekten lag, deren Mitglieder im digitalen Bereich tätig sind. Die Ergebnisse der Studie unter dem Titel „Urbane Dörfer“ wurden am Montag in Berlin vorgestellt.

Bislang zeigt sich in vielen entlegenen Landstrichen im Osten das gleiche Bild: Dörfer und Kleinstädte erleben einen schleichenden Bevölkerungsschwund, die Bevölkerung altert stark und die Orte verlieren weiter an Attraktivität. Was aber können diese Regionen tun, um den Abwärtstrend zu stoppen und sich dem Sog der Großstädte entgegenzustemmen? Diese Frage beschäftigt betroffene Kommunen und vermehrt auch die Bundespolitik.

Digitale Pioniere

Viele der neuen Landbewohner arbeiten in Wissens- und Kreativberufen – von den klassischen Digitalarbeitern wie Programmierern und Grafikdesignern über Architekten und Journalisten, bis hin zu Sozialwissenschaftlern oder Kulturmanagern. Sie können örtlich flexibel ihrem Job nachgehen – also auch vom heimischen Computer auf dem Land aus.

Doch sie wollen nicht jeden Tag allein am eigenen Schreibtisch arbeiten, sondern suchen den Kontakt zu Gleichgesinnten. „Die ländlichen Digitalarbeiter bringen ein Raumkonzept aus den Städten mit aufs Land: Coworking Spaces,“ sagt Silvia Hennig. „Wie in der Stadt können sich hier Freiberufler und Selbständige vorübergehend Schreibtische mieten, um gemeinschaftlich zu arbeiten.“

Einige dieser Coworking Spaces entstehen sogar mit angeschlossenen Unterkünften. Hier können sich gestresste Stadtbewohner während längerer Aufenthalte in einer ruhigen Umgebung auf die Arbeit konzentrieren. „Das lockt nicht nur Besucher in den Ort, sondern schafft auch Arbeitsplätze und bringt Geld in die Kassen der Projekte,“ sagt Manuel Slupina, Mitautor der Studie.

In der Mitte und nicht am Rand

Die Wohn- und Arbeitsprojekte zieht es in der Regel nicht in Neubauten am Stadt- oder Dorfrand. Die Umzugswilligen interessieren sich eher für alte und baufällige Gebäude in der Ortsmitte. Sie verwirklichen ihre Ideen in stillgelegten Fabriken und Mühlen, Krankenhäusern und Berufsschulen, Klosteranlagen und Landgütern. „Sie bringen frisches Leben in Gebäude, die mitunter lange leer standen und die Ortskerne verschandelt haben,“ sagt Manuel Slupina. „Sie wirken damit einem der drängendsten Probleme ländlicher Räume entgegen: dem Entstehen von sogenannten Donut-Dörfern.“

Dieses Phänomen, bei dem die Ortskerne verfallen, während am Ortsrand die Neubaugebiete wuchern, lässt sich in Deutschland nahezu flächendeckend beobachten. Denn die Stadt-Land-Wanderer bringen nicht nur Einwohner, Steuer- und Gebührenzahler aufs Land, sondern auch neue Ideen: Sie suchen nach Möglichkeiten, wie man auch ohne Auto auf dem Dorf mobil bleiben kann, denken über Hofläden zur Verbesserung der Nahversorgung nach, eröffnen Galerien und organisieren Festivals.

Vor allem aber schaffen sie digitale Inseln, die einen Weg zum Dorf der Zukunft weisen und dabei zu demografischen Speckwürfeln in der Peripherie werden können. Die Politik sollte diese Pioniere unterstützen und sie von bürokratischen Hürden entlasten. Vor allem muss sie den ländlichen Raum endlich flächendeckend mit einem schnellen Internetzugang versorgen. Denn ohne ein leistungsfähiges Kabel haben die Dörfer im Wettbewerb um Einwohner gegenüber den Städten keine Chance.

Die Studie wurde gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und steht online als Download zur Verfügung.

Über das Berlin-Institut

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen regionaler und globaler demografischer Veränderungen beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer Probleme zu erarbeiten.

In seinen Studien, Diskussions- und Hintergrundpapieren bereitet das Berlin-Institut wissenschaftliche Informationen für den politischen Entscheidungsprozess auf. Weitere Informationen, wie auch die Möglichkeit, den kostenlosen regelmäßigen Newsletter „Demos“ zu abonnieren. 

Über Neuland21

Neuland21 ist ein gemeinnütziger Think & Do Tank, der sich für eine innovative Regionalentwicklung einsetzt, die den Herausforderungen und Chancen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Im Fokus der Arbeit stehen dabei die Potenziale der Digitalisierung, die im ländlichen Raum dazu beitragen kann, eine moderne und hochwertige Daseinsvorsorge zu erhalten und die Lebensqualität der Menschen nachhaltig zu verbessern.

Dazu bündelt Neuland21 aktuelles Wissen zu digitalen und sozialen Innovationen im ländlichen Raum, erforscht deren Wirksamkeit, pilotiert vielversprechende Konzepte und hilft gute Praxisbeispiele zu verbreiten. Die Studien richten sich an die Macher vor Ort und bieten konkrete Handlungsempfehlungen für Regionalentwicklung im digitalen Zeitalter. Auf Veranstaltungen informiert Neuland21 regelmäßig über neue Technologien und zukunftsweisende Konzepte für die Daseinsvorsorge. In Modellprojekten unterstützt Neuland21 deren Entwicklung und Umsetzung.